Von Tools zu Haltung. Barrierefreie Webentwicklung
Zwei Vorträge über Barrierefreiheit, eine Mission.

von Denis Paris
Veröffentlicht am 25. Juli 2024

Es gibt Momente im Leben eines Sprechers, die man sich nicht vorher ausdenkt. Sie passieren einfach. Gestern Abend war so ein Moment. Ich durfte bei der 12. OBI Tech Talk in Köln zwei Vorträge halten. Ein geplanter. Einer unerwarteter. Beide zusammen ergaben ein Bild, das ich selbst nicht hätte besser inszenieren können.
Der erste Vortrag: Die unbequeme Wahrheit über automatische Tests
Der geplante Talk befasste sich mit einem Thema, das mich seit Jahren beschäftigt: die Grenzen automatischer Barrierefreiheits-Tests. Ich wollte zeigen, wie Tools wie axe und Lighthouse funktionieren, worauf sie achten, und vor allem: was sie übersehen.
Zum Artikel über die unbequeme Wahrheit hinter automatischen Barrierefreiheits-Tests
Die zentrale Erkenntnis war damals schon unbequem, und sie ist es heute noch: Grüne Tests bedeuten nicht grünes Licht für echte Barrierefreiheit. Das ist eine Lüge, die wir uns gerne erzählen, weil sie einfach ist. Weil sie beruhigend ist. Aber sie ist eine Lüge.
Die Reaktion im Publikum war intensiv. Menschen nickten. Sie stellten Fragen. Und dann, am Ende der Fragerunde, kam ein Thema auf, das mich nicht losließ. Farbenblindheit. Wie man damit umgeht. Wie man dafür designed. Worauf man achten muss.
Der spontane zweite Vortrag: Farbenblindheit und inklusive Gestaltung
Mehrere Teilnehmer zeigten Interesse. Echtes Interesse. Nicht die höfliche Sorte, sondern die Art, die sagt: Das wollen wir verstehen. Das ist wichtig für uns.
Ich hatte tatsächlich eine Präsentation dabei. Nicht eingeplant, sondern mitgenommen, weil ich nie weiß, wo das Leben mich hinführt. Also habe ich nach einer kurzen Pause gesagt: Okay, lass mich das Thema Farbenblindheit und inklusive Gestaltung noch einmal von vorne durchgehen.
Mehr über inklusive Information Design und die Kraft von Formen und Symbolen
Es war nicht perfekt geplant. Es war authentisch. Es war das, was im Moment passte.
Was diese beiden Vorträge verbindet
Auf den ersten Blick haben die beiden Talks unterschiedliche Themen. Einer handelt von Tests. Einer von Design. Aber wenn ich ehrlich bin, sprechen sie über dieselbe Wahrheit aus zwei verschiedenen Blickwinkeln.
Der erste Vortrag sagt: Verlass dich nicht nur auf automatische Tools, um Barrierefreiheit zu garantieren. Sie sehen zu viel, und gleichzeitig sehen sie zu wenig.
Der zweite Vortrag sagt: Gestalte von Anfang an für Vielfalt. Nicht für die Mehrheit, und danach für Menschen mit Behinderungen. Sondern für alle von Anfang an.
Zusammen ergeben sie eine gemeinsame Botschaft: Barrierefreiheit ist nicht etwas, das du mit einem Tool checkst und dann abhaken kannst. Es ist eine Haltung. Es ist ein Prozess. Es ist eine kontinuierliche Reflexion.
Der Moment der Wahrheit
Was mich an gestern besonders begeistert hat, war die Qualität der Diskussionen. Es waren nicht die oberflächlichen Fragen. Es waren Menschen, die wirklich verstehen wollten. Die fragten: Wie machen wir das in der Praxis? Welche Tools nutzen wir? Welche Prozesse müssen wir ändern?
Das ist der Moment, in dem Sprechen wirklich sinnvoll wird. Nicht, weil ich die Antworten habe. Sondern weil die richtigen Fragen gestellt werden.
Einer der Teilnehmer sagte hinterher etwas, das mir im Gedächtnis bleiben wird: “Ich dachte, ich weiß schon viel über Barrierefreiheit. Jetzt merke ich, dass ich vor einer großen Tür stehe und gar nicht weiß, wie groß der Raum dahinter ist.”
Das ist genau das, was ich möchte. Nicht, dass Menschen glauben, dass Barrierefreiheit ein Problem ist, das man löst. Sondern dass sie verstehen, dass es eine kontinuierliche Reise ist.
Warum dieser Tag in Köln wichtig war
Die OBI Tech Talk Serie hat eine besondere Rolle in der Tech-Community. Es ist ein Ort, an dem Teams zusammenkommen und voneinander lernen. Es ist ein Ort, an dem Sicherheit herrscht, um unbequeme Fragen zu stellen.
Gestern habe ich das gespürt. Die Bereitschaft der Menschen, ihre Gewohnheiten infrage zu stellen. Die Ehrlichkeit, mit der über Probleme gesprochen wurde. Der Mut, zuzugeben: Wir machen viel falsch. Aber wir wollen es besser machen.
Das ist die Energie, die wir brauchen.
Die Takeaways für dich
Wenn du diese beiden Vorträge zusammen betrachtest, was nimmt du mit?
verlasse dich nicht auf automatische Tests allein. Sie sind ein Werkzeug im großen Werkzeugkasten. Aber sie sind nicht das ganze Werkzeugkasten.
gestalte inklusiv von Anfang an. Das ist nicht teurer. Es ist nicht schwieriger. Es erfordert nur ein anderes Mindset.
stelle Fragen. Echte Fragen. Schwierige Fragen. Die Fragen, bei denen du dir nicht sicher bist, ob die Antwort dir gefallen wird.
vertrau deinem Bauchgefühl. Manchmal passiert das Beste, wenn du nicht alles durchplanen musst, sondern einfach antwortest, was im Moment gebraucht wird.
Ein persönliches Fazit
Ich bin Sprecher, aber ich bin auch Lernender. Gestern habe ich von den Fragen gelernt. Von der Skepsis. Von der Neugier der Menschen. Und ich bin dankbar dafür.
Barrierefreiheit ist nicht nur ein technisches Thema. Es ist ein menschliches Thema. Es geht um Würde. Es geht um Teilhabe. Es geht darum, dass jeder Mensch das Web nutzen kann, unabhängig von seinen Fähigkeiten.
Wenn meine Vorträge gestern dazu beigetragen haben, dass ein paar Menschen das verstanden haben, dann war es ein guter Tag.
Danke an die OBI Tech Talk für die Einladung. Danke an alle, die zugehört haben und echte Fragen gestellt haben. Und danke dafür, dass die Spontaneität des zweiten Vortrags möglich war. Denn manchmal braucht es genau das: die Flexibilität, hinzuschauen, zuzuhören und zu antwortet, was gebraucht wird.
Lass uns zusammenarbeiten
Du willst wissen, ob dein Produkt wirklich barrierefrei ist? Du brauchst jemanden, der nicht nur Tests laufen lässt, sondern versteht, was echte Barrierefreiheit bedeutet? Ich unterstütze Teams dabei, Barrierefreiheit von Anfang an mitzudenken, durch Audits, Workshops, Beratung und praktisches Testing mit echten Betroffenen.
Schreib mir und lass uns gemeinsam daran arbeiten, deine digitalen Produkte für alle Menschen zugänglich zu machen.
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